Geothermieforschung in Geilenkirchen-Teveren
Forschungseinrichtung: Institut für angewandte Geophysik und Geothermische Energie an der RWTH Aachen, E.ON Energy Research Center
Thema: Untersuchung des geothermischen Potenzials in Geilenkirchen-Teveren durch numerische Simulation
Geothermie ist jene Wärmeenergie, die in der äußeren, technisch zugänglichen Erdkruste von Menschen genutzt werden kann. Ab einer Tiefe von etwa 10m nimmt die Temperatur in Deutschland unabhängig von der Jahreszeit im Mittel etwa 20 bis 30 Grad pro Kilometer zu. Je tiefer man also in die Erde vordringt, desto wärmer wird es. Geothermie ist eine regenerative Energieform, ihre Nutzung ist klimafreundlich und gilt als ein wichtiger Baustein zur Gestaltung der Energiewende. Geothermische Energie kann direkt als Wärme genutzt werden. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, ist auch eine Umwandlung in elektrische Energie möglich. Die Menge der vorhandenen Wärmeenergie innerhalb eines bestimmten Gebietes und die Möglichkeit, diese wirtschaftlich und nutzbringend einsetzen zu können, bestimmen das geothermische Potenzial einer Region.
Das geothermische Potenzial hängt vor allem von der Grundwasserströmung und der Grundwassertemperatur ab. Je größer beide ausfallen, desto höher ist theoretisch das Potenzial. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch fließendes Grundwasser wesentlich mehr Wärme im Untergrund transportiert wird als ohne Grundwasserströmung.
Mit dem geothermischen Potenzial von Geilenkirchen–Teveren beschäftigen sich zurzeit die beiden Geowissenschaftler Johanna Bruckmann und Jan Niederau im Rahmen ihrer Promotion am Lehrstuhl für angewandte Geophysik und Geothermische Energie unter Leitung von Professor Dr. Christoph Clauser.
Vorgehensweise
In Ermangelung aufwändiger und teurer Messungen, gewinnen die beiden Forscher Kenntnisse über die geothermischen Gegebenheiten anhand von Computersimulationen. Das wesentliche Werkzeug hierfür ist ein Simulationsprogramm, dessen Grundlage bereits vor 28 Jahren von Professor Clauser geschaffen wurde und das seitdem stetig weiterentwickelt wurde. Die Anwendung dieses Programms auf geothermische Fragestellungen ermöglicht es, die Kosten von Geothermieprojekten zu senken und damit die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte sicherzustellen.
Förderung des Forschungsvorhabens
Das Simulationsprogramm löst bei der Berechnung des Modells ein System verschiedener Differentialgleichungen. Dieses Gleichungssystem kann aufgrund seiner Form und Komplexität nicht auf analytischem Weg gelöst werden, sondern die Lösung muss durch numerische Verfahren approximiert werden. Diese numerischen Lösungsverfahren sind sehr aufwändig und erfordern sehr hohe Rechnerleistungen. Daher wird das Forschungsvorhaben im Rahmen des Horizon 2020 Projektes EoCoE der Europäischen Union (EU) gefördert. EoCoE steht für „Energy oriented Centre of Excellence for computer applications“. Es handelt sich hierbei um eine Förderung, die die Forschung im Bereich der Energiewissenschaft durch Hochleistungs-Rechenprozesse unterstützen und damit die Energiewende in Europa beschleunigen soll. Im Rahmen von EoCoE wird das Programm zur Simulation des geothermischen Potenzials für die Anwendung im Hochleistungsrechnen weiterentwickelt. Dadurch kann die Leistungsfähigkeit gesteigert werden und schließlich können verbesserte Aussagen über das geothermische Potenzial von Stadtteilen, wie z.B. für das Gebiet Geilenkirchen-Teveren, getroffen werden. Die dafür erforderlichen Höchstleistungsrechner sind z.B. am Rechenzentrum der RWTH oder am Jülich Supercomputing Centre für die Wissenschaftler zugänglich.
Durchführung von Computersimulationen
Bevor mit der Erstellung von Simulationsrechnungen zur Ermittlung des geothermischen Potenzials begonnen werden konnte, musste zunächst der geologische Aufbau des Untergrundes erfasst werden. Insbesondere war dabei zu ermitteln, welche Gesteinsschichten an welcher Stelle auftreten und wie wasserdurchlässig diese sind.
Zur Erlangung von Kenntnissen über den Aufbau der Erdschichten wurde umfassendes Datenmaterial gesichtet und analysiert. Dieses wurde beispielsweise über den geologischen Dienst NRW in Krefeld bezogen. Anhand der Datenanalyse konnte schrittweise der Aufbau des Untergrunds ermittelt und ein dreidimensionales geologisches Modell des Untergrundes erstellt werden. Dieses kann man sich bildhaft wie ein Tortenstück vorstellen, dessen unterschiedliche Füllungen verschiedene Materialien der Erdkruste repräsentieren. Mit einem solchen geologischen Modells können die Grundwasserströmung und -temperatur simuliert werden. Anhand des Modells für Geilenkirchen - Teveren zeigte es sich, dass für die geothermische Potenzialanalyse insbesondere die braunkohlehaltige Schichten interessant sind, da diese im Untergrund wie ein Isolator wirken.
Um die Genauigkeit und somit die Aussagekraft der Simulationen abschätzen zu können, werden die Ergebnisse der Simulationen an empirisch ermittelten Daten kalibriert.

Bild 3: Schematischer Arbeitsablauf im Forschungsprojekt (Weitere Informationen zu diesem Bild befinden sich am Ende dieses Unterkapitels.)
Aktuelle Ergebnisse der Simulation
Die kalibrierten Simulationsergebnisse prognostizieren eine Temperatur zwischen 13 °C und 14 °C in einer Tiefe von ca. 150 m. Zusätzlich konnten die Forscher ableiten, dass es im Raum Geilenkirchen vor mehreren Jahrhunderten im Jahresmittel um ein bis anderthalb Grad kühler war als heutzutage. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Forschungsergebnissen aus dem Bereich der Klimaforschung.
Neben der Temperatur sind für die Abschätzung des geothermischen Potenzials außerdem die Fließrate und –richtung des Wassers im Untergrund entscheident. Hauptkriterium für diese beiden Größen ist die Durchlässigkeit (Permeabilität) des Untergrundes. Die zu dieser Größe getroffenen Annahmen sind aber mit großer Unsicherheit behaftet. Um dies zu berücksichtigen, wurde von den Forschern eine als Monte-Carlo-Simulation bezeichnete Methode angewendet, in der zufällig gewählte, jedoch realistische Verteilungen der Permeabilität simuliert werden. Analog zu der Simulation der Untergrundtemperatur wurden die Ergebnisse mehrfach mit empirisch erfassten Daten abgeglichen. Eingesetzt wurden dabei anhand von Messungen gewonnene Daten zum Grundwasserspiegel.
Auswahl des Standortes
Den Standort Geilenkirchen haben die beiden Geologen übrigens aus verschiedenen Gründen für Ihre Untersuchungen ausgewählt: Zum einen hatte sich die Stadtverwaltung bei einem früheren Projekt als sehr aufgeschlossen gezeigt. Hinzu kommt, dass die geologischen Gegebenheiten der Niederrheinischen Bucht, in der sich auch die Stadt Geilenkirchen befindet, sehr gut zum Forschungsvorhaben passen. Teveren ist zudem ein Ort, der sich in der näheren Zukunft verändern und weiterentwickeln wird. Die Berücksichtigung verschiedener Entwicklungsalternativen ermöglicht daher die Betrachtung verschiedener Szenarien für die Nutzung von Geothermie.
Johanna Bruckmann, Geowissenschaftlerin (M.Sc)
Johanna Bruckmann studierte Georessourcenmanagement (B.Sc.) und Angewandte Geowissenschaften (M.Sc.) an der RWTH Aachen und schloss Ihr Studium im Jahr 2012 ab. Im Rahmen Ihrer Promotion am Institut von Professor Clauser zum Thema „Stochastische Parameterschätzung und Unsicherheitsanalyse in Aquiferen“ setzt sie sich unter anderem mit numerischer Simulation von Grundwasserströmungen auseinander.
Jan Niederau, Geowissenschaftler (M.Sc.)
Jan Niederau studierte Angewandte Geowissenschaften (B.Sc.) an der RWTH Aachen und schloss sein Masterstudium des europäischen Masterprogramms „European Master of Geosciences of Basins and Lithosphere“ an der RWTH Aachen und Université de Rennes 1 im Jahr 2012 ab. Zurzeit promoviert er zum Thema „Risikoanalyse für geothermische Reservoirprojekte basierend auf stochastischen Simulationsrechnungen“ am Institut von Professor Clauser.
Weiterführende Links
Institut für Angewandte Geophysik und Geothermische Energie:
www.gge.eonerc.rwth-aachen.de
EoCoE
www.eocoe.eu
Informationen zu den Bildern
Bild 2: Ergebniss der geologischen Modellierung
Oben: Dreidemensionales geologisches Modells der Region Geilenkirchen bis zu einer einer Tiefe von ca. 700 m.
Unten: Zwei Profilschnitte durch das Modell, einmal in Ost-West und einmal in Nord-Süd Richtung.
(Hauptsächlich interessant für die Forscher im Hinblick auf geothermische Direktwärmenutzung sind geologische Formationen bis zu einer Tiefe von ca. 500 m.)
Bild 3: Schematischer Arbeitsablauf im Forschungsprojekt
Anhand der gesammelten und ausgewerteten Daten wird ein geologisches Modell des Untergrundes erstellt. Dieses geologische Modell wird dann für Simulationen verwendet. Die Ergebnisse dieser Simulationen wiederum werden für weitere Simulationen von Erdwärmesondenfelder genutzt. Derzeit befindet sich das Projekt in der Phase der Simulation von Erdwärmesondenfeldern.
Bild 4: Schnitt durch das geologische Modell im Bereich eines Bohrloches (rote Linie)
In das Profil wurde der über Simulationen gewonenne Temperaturverlauf im Untergrund eingezeichnet.